Der Gutshof von Novazzano

Wir, Ayleen und Jonas, wählten im Ballenberg den Gutshof von Novazzano aus. Der Gutshof ist das grösste Haus im Ballenberg. Es hat 50 Räume und 1000 Quadratmeter Dachfläche. Es brauchte in den Jahren 2002 und 2003 ganze 200 Lastwagenladungen Steine, Holz und Ziegel, um den Gutshof La Pobbia aus dem Tessin auf den Ballenberg zu versetzen. Die grosse geschlossene Hofanlage ist für Schweizer Verhältnisse sehr selten. Der Hof stand im südlichsten Teil des Landes, im Mendrisiotto.

Im angrenzenden Italien waren solche Höfe die Regel. Die Eigentümer wohnten nicht auf dem Gut selber, sondern liessen es als Grossgrundbesitzer von einem Verwalter bewirtschaften. 1701 erwarb die Grafenfamilie Turconi aus Como das Gut von 21 Hektaren. Alfonso Maria Turconi stiftete 1824 den Hof und seinen Landbesitz im Mendrisiotto zur Gründung des Spitals Beate Vergine. Ein grosser Anbau zur Zucht von Seidenraupen entstand 1845. In den 1920er und 1930er Jahren war der Tabakanbau wichtigster Erwerbszweig, die Blätter trockneten in den Lauben des Hofes. Damals wohnten vier Familien im Hof, insgesamt 28 Personen.

1966 pachtete die Familie Zambetti den Hof.

Wir hatten das grosse Glück ein Mitglied der Familie persönlich kennenzulernen. Die Gemeinde gab uns die Telefonnummer von Marco Zambetti. Als wir ihn anriefen, kam er spontanerweise bei uns im Lager vorbei und erzählte uns über seine Kinder- und Jugendzeit auf dem Hof.

Marco Zambetti wurde 1968 als fünftes Kind der Familie geboren. Ein Jahr später verstarb seine Mutter, worauf die Familie ins Nachbardorf Seseglio zog. Er zeichnete uns auf dem Grundriss ein, wer in welchem Zimmer gewohnt hatte und welche Tiere wo untergebracht waren. Etwa 1981 zog die Familie für kurze Zeit wieder in den Hof ein. Aufgrund des baulichen Zustands zog sie aber bald darauf wieder aus. Sie bewirtschafteten die Felder aber weiter. Bis in die 90er Jahre bewohnte der Onkel von Marco Zambetti ein Zimmer. Er half gelegentlich bei der Feldarbeit aus.

Herr Zambetti verriet uns, dass er in seinen Jugendjahren mit seinen Freunden einen «Partyraum» im Gutshof eingerichtet hatte. Er kann heute noch als «Coca Cola Zimmer» auf dem Ballenberg besichtigt werden, denn es wurde mitgezügelt. Wir fragten ihn, wie es für ihn sei, sein ehemaliges Zuhause auf dem Ballenberg zu besuchen. Er antwortete, es sei ein merkwürdiges Gefühl – es kommen Freude und gleichzeitig Traurigkeit in ihm hoch.

Ein herzliches Dankeschön an den netten Herrn Zambetti! Wir denken, wir wissen dank ihm heute sogar besser Bescheid als die meisten Mitarbeiter vom Ballenberg ?

 

PS: Wo einst Knechte, Vieh und andere Herrschaften im Gutshof hausten, steht heute nichts (bis auf ein Stück des Werkhofs von Novazzano).

 

Text von Ayleen und Jonas